Ich erinnere mich gerne an einen bestimmten Tag zurück, an dem ich so richtig schlechte Laune hatte. Ich saß bei meiner Schwester bei strahlendem Sonnenschein auf ihrem Balkon und schimpfte wie ein Rohrspatz über mein Leben. Ich wollte gar nicht mehr aufhören und machte jeden einzelnen Ratschlag zunichte, den sie mir entgegen brachte.Alles redete ich schlecht, immer fand ich was Negatives dazu. Ihre überschwänglich gute Stimmung, mit der sie mich empfangen hatte, hatte ich erfolgreich in Grund und Boden gestampft. Zugegeben, wenn ich mal richtig schlechte Laune habe, dann muss/ kann ich das auch jeden spüren lassen. Das ist meine Version von authentisch, auch wenn es nicht sympathisch ist.
Dennoch verließ’ ich beleidigt ihre Wohnung. Ich war richtig sauer, weil mir Ihr Lösungsvorschläge so absurd vorkamen. Ich war unglücklich und hatte keine Kraft mehr. Ich war am “Machen und Tun“ und kam dennoch keinen Schritt vorwärts. Und während ich ihr mein Leid klagte kam sie mir mit so Sätzen wie „trinkst du auch genügend?“. Hatte Sie mir nicht zugehört? Was interessierte mich mein Wasserhaushalt – ich hatte weitaus größere Probleme? „Ob ich nicht mal früher ins Bett gehen will?“. Eh nein! Weil ich dann gar nicht mehr weiß, wie ich alles schaffen soll. Zu guter Letzt kam sie mir noch mit den unvermeidlichen Worten „sei dankbar für das was du hast“. Ich fühlte mich komplett unverstanden, wie sonst nur selten von ihr.
Nachdem ich mich verkrochen und meine ich-rede-alles-schlecht-Phase überwunden hatte, dachte ich über unser Gespräch noch einmal nach. Und ganz langsam wurde der Gedanke laut in meinem Kopf: Was ist wenn sie Recht hat? Aber …
- … ich schaue Serien um meinen Kopf abzuschalten, mich zu entspannen und Energie aufzutanken. Wie sollte ich entspannter sein, wenn ich darauf verzichtete?
- … ich gönnte mir 4 Tassen Kaffee am Tag, gerne auch eine Cola um mein Energielevel zu halten. Wie sollte ich durch die Einschränkung, geradezu Verzicht darauf meinen Energiehaushalt halten?
- … ich ging zu verschiedenen Uhrzeiten ins Bett – zwischen Mitternacht und 2h morgens – je nachdem was ich zu erledigen hatte. Eine festgelegte Schlafenszeit nimmt mir diese Freiheit bzw. Flexibilität. Was soll das bringen?
Dieses absolut konträre Verhalten erschien mir komplett unlogisch und sinnlos! Ich denke ich bin damals mehr aus Trotz und weil ich keine bessere Lösung parat hatte ihrem Ratschlag gefolgt. Ich wollte ihr ihre dämlichen Ratschläge mit „siehste, bringt gar nichts“ um die Ohren hauen. Stattdessen rief ich ein paar Tage später begeistert an und bekam ein kleinlautes „hast Recht gehabt“ über die Lippen.
Denn ich tat, was sie mir empfohlen hatte. Besser noch, ich erstellte eine komplette Liste mit Dingen, die ich ändern wollte. Was stresste mich? Was raubte mir unnötig Zeit? Worauf konnte ich verzichten, was ließe sich einschränken? Welche Bereiche (Beziehung, Finanzen, Arbeit, Gesundheit, Weiterentwicklung) wollte ich verbessern? Das Endergebnis war wie folgt:
Die positive Energienliste
Täglich 1,5 Liter Wasser (möglichst auf Zucker in Getränken verzichten)
Mindestens 1x die Woche entsaften
Maximal 2 Tassen Kaffee/ pro Tag
Alkohol nur auswärts trinken
Spätestens um 2h ins Bett gehen
Facebook maximal 30 min/ pro Tag
Auf Nachrichten komplett verzichten
Keine Serien, Filme und Fernsehen
Negative Energien vermeiden (vor allem in Gesprächen)
Arbeitszeit dokumentieren
Tag/Wochen/Monatsziele festhalten
Eine Dankbarkeit pro Tag dokumentieren
Schnelle Emails (5min) sofort beantworten
WhatsApp Nachrichten in Intervallen beantworten
Täglich Tabs schließen
Desktop frei halten
Gewohnheiten beibehalten und erweitern
Zeitrahmen: 3 Wochen
Belohnung festhalten
Learnings
Eine Liste wie diese lässt sich super individualisieren. Je nachdem, wie die Antwort auf die Einstiegsfragen ausfallen. Manchmal lohnt es sich, sich auch nur einen Punkt vorzunehmen und diesen durchzuziehen. Meine positive Energienliste ziehe ich in diesem Umfang heute nicht mehr durch, weil es nicht notwendig ist. Extreme Situationen erfordern manchmal extreme Maßnahmen. Generell bin ich gegen einen extremen Lebensstil. Aber ich nehme mir gelegentlich einen Punkt heraus.
- Um alte Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen.
- Um unbewusst ablaufende Vorgänge offenzulegen.
- Um mit Neugierde und Interesse etwas Unbekanntes/ Unverständliches auszuprobieren.
- Um die Perspektive zu ändern, den Blickwinkel zu erweitern.
- Um bewusst auf etwas zu Verzichten und den Dingen mehr Wertschätzung entgegenzubringen.
Fazit
In alte Raster verfalle ich vor allem bei der Ernährung. Deswegen verzichte ich gelegentlich ein paar Wochen auf Fleisch, Zucker und zuckerhaltige Softdrinks oder Kaffee. Dabei geht es mir meist nicht um den Verzicht, sondern um den Arschtritt, sich mit einer gesunden Alternative auseinanderzusetzen – ganz gleich in welchem Bereich. Dank meiner “Veggie-Wochen” habe ich mein Repertoire an vegetarischen Gerichten erweitert. Als ich nur stilles Wasser trank ist mir aufgefallen, wie viel mehr ich automatisch trinke, sobald ich im Restaurant eine Flasche bestelle. Aha.
Ich glaube gern vieles besser zu wissen, vor allem, wenn es mich selbst betrifft. Aber ich schaffe es immer wieder mich selbst zu überraschen. Und das sind die Geschichten, die ich euphorisch in meinem Freundeskreis erzähle und die immer für einen Lacher sorgen. Weil sich mir vieles was logisch ist, immer erst im Nachhinein erschließt.
Wie sieht es mit dir aus? Hast du eine ähnliche Liste? Was würde auf deiner Liste stehen? Worin würdest du dich gerne verbessern? Erzähl’ es mir in den Kommentaren.
Deine YV.ON